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2000 - 2021

Die Restaurationsbemühungen um die stileinheitlich erhaltene aber im 19 Jahrhundert stark überfasste frühgotische St. Johanniskirche von 1674

2000

Zum Abschluss der Bau- und Renovierungsarbeiten in dem Langschiff, der Sakristei und dem Eingangsbereich und zur Wiedereinweihung der Orgel feiert die Gemeinde vom 27. Juni-02. Juli die Festwoche 2000 mit vielen Konzerten, zwei Ausstellungen, im Rathaus und in der Kirche, mit Jubiläumsveranstaltungen und sogar einer Ballonfahrt des Bürgermeisters Andreas Böer und Pfarrer Christoph Wiesener.

Eine Besonderheit in der Sakristei wurde dabei wieder in Gang gesetzt. An der Südwand befindet sich in der Mitte des Raumes eine sogenannte Piscina, das Ausschüttbecken für das Taufwasser. Diese führt alles Wasser durch die dicken Außenmauern an die Außenwand der Kirche, um dort einen Weinstock zu gießen und wachsen zu lassen, so wie jede Taufe die Gemeinde wachsen lässt. Dieses Sinnbild wurde durch das Pflanzen eines neuen Weinstockes wieder installiert. Der alte musste wegen der Putzsanierung entfernt werden.

 

2001-2005

Die Stifter-Epitaphen von Ernst von Gersdorf und das kleine „Ehrengedächtnis" für die Gemahlin des Kirchenstifters, Sophie Tugendreich von Gersdorff, geb. von Sander, direkt über der Priesterpforte, die Epitaphen der Kinder an der Südwand des Chorraumes - links das Epitaph für Georg Ernst II. von Gersdorff, der 1743 verstarb, daneben das Epitaph für Anna Sabina geb. von Gersdorff, verstorben 1731 und deren Gemahl Christoph Sigismund von Cronenwaldt, verstorben 1722 - wurden in diesen Jahren restauriert. Ein letztes Epitaphium befindet sich im Hauptschiff am östlichen Pfeiler. Es ist Heinrich Gottlob von Oberländer, der 1717 verstarb, gewidmet und ist bis heute - 2021 - unrestauriert.

Auch die Orgelempore mit Bildern des Musikanten König Davids sowie die ersten Bilder des Passions-Zyklus und die dazugehörige erste Nordempore werden restauriert. Dabei entdeckt der Restaurator Jan Großmann aus Radebeul zwei eindeutige Hinweise auf den ausführenden Künstler George Keyser, damals wohl Görlitz. In dem folgenden Jahr erhalten wir auch die Gelder, um die Patronatsloge an der Chorsüdwand wieder zu „entdecken". Dabei finden sich weitere Spuren des Kirchenmalers George Keyser. Nach weiteren biographischen Spuren suchen wir bis heute - 2021. Wir hoffen noch sehr auf Hinweise.

 

2006-2008

Die Taufe wird in den Mittelpunkt der Gemeinde, in die Mittelachse der Kirche in die vordere untere Chorebene gestellt und mit einem Podest versehen. Die zweite Südempore wird ausgebaut und mit dem daraus anfallenden Material werden die Podeste und das Gestühl der ersten Südempore neu gebildet.

Die ausführlich vorbereitete, geplante, beworbene und von allen Seiten befürwortete „Restaurationsdekade der St. Johanniskirche 2006-2016" kommt zum Erliegen. Erst das Engagement des zu dieser Zeit als Bundestagsabgeordneter agierende Michael Kretschmer wird ab 2012 neuen Schwung in unser Bestreben bringen.

Gleichzeitig gelingt es immer mehr Quellen zu den Malereien und zu historischen Hintergründen dieses Kirchbaus zu finden und zu erschließen. Dadurch und durch die bei der Restauration zahlreich aufgefundenen Hinweise erschließen sich zunehmend die Beweggründe und Ziele der Ausstattung dieser Kirche. Diese historischen Informationen machen deutlich, dass nichts in dieser Kirche nur als Schmuck angelegt wurde, sondern alles einen Hintergrund und eine Botschaft hat, die sehr eng mit der Welt- (30jähriger Krieg, Pestzeiten) aber auch mit der Ortsgeschichte (Stadtbrand 1670, Entwicklung der Stadt, Lehreempore etc.) verbunden ist.

 

2013-14

Die Große und Kleine Ratsherrenloge werden restauriert und Teile der sie rahmenden Wandmalerei an der Südwand werden freigelegt. Die Ratsherrenloge bestand ehemals wohl aus drei Sechsergestühlblöcken, die mit Wangen abgetrennt und mit zwei Türen an der Brüstung zugänglich waren. Die Rückenteile sind mit Bildern und lateinischen Glaubenssprüchen verziert, die aus dem „Dankaltar" des Pastors Gerhard Müller aus Rostock von 1669 stammen und die Brüstung zeigt Bilder der beiden Großen Richter Gideon und Simson, Kopien aus der Merian-Bibel. Von diesem Gesamtwerk wurde das linke Sechsergestühl abgetrennt. Aus dem abgetrennten Teil nahm man zwei Rückenbilder und baute daraus die linke Brüstungswange der verbleibenden 12 Sitze. Ein Brüstungsbild des großen Richters Gideon wurde in einer unabhängigen Chorgestühlsbrüstung verbaut, die steht heute ohne Rückenteil unter der Patronatsloge vor dem Sakristeieingang.

Das abgetrennte Teil besteht heute aus drei Sitzen mit Rückenbildern und steht restauriert als „Kleine Ratsherrenloge" mit dem Brüstungsteil das den Einzug Jesu in Jerusalem zeigt unter der Pfennigwerth-Loge an der Nordwand. Verloren gegangen sind demnach eine Brüstungstür und ein Brüstungsbild mit einem Motiv des Richters Gideon.

Dadurch ergibt sich, dass die Loge wahrscheinlich 1866 nach vorne in Richtung Langeschiff gerückt wurde. Die so entstandene Überdeckung der Wandmalerei erhält eine der letzten Reste der Originalbemalung, die jetzt wieder sichtbar ist.

Das Grab Hans v. Gersdorffs von 1567 wird von dem nachträglich darauf platzierten Gestühl befreit, neu gefasst und mit einer Inschrift in der Stufe dahinter versehen. Das Chorgestühl wird restauriert und neu platziert. Die Malerei über dem Fenster der Chor-Nordwand wird freigelegt.

 

2015

Der evangelische Beichtstuhl wird restauriert und die ihn umgebende linke Hälfte der Ostwandmalereien wird freigelegt. Dabei zeigt sich, nicht nur der Altar wirft seinen Schatten als Malerei auf die Wand, sondern alle Ausstattungsgegenstände, bis auf die Kanzel, sind so auf die dahinterliegende Wand projiziert. Der Beichtstuhl weist außen eine Bilderserie auf, die dem Lutherischen Beichtbüchlein entnommen ist: Unserem „Herr, sei mir Sünder gnädig" folgt die Zusage Jesu: „Dir sind Deine Sünden vergeben." Dazu sind der Verlorene Sohn und die Salbung der Sünderin zu sehen. Im Inneren weisen drei Darstellungen aus den Emblemata von Daniel Cramer von 1624 auf die Verheißungen der Beichte hin. Und über den Beichtenden öffnet sich dann der Himmel, wie die vier Engel inmitten einer azurblauen Szene zeigen.

 

2016

Unsere Ladegast-Orgel feiert ihren 150. Geburtstag. Mit Festkonzerten und großer öffentlicher Aufmerksamkeit wird dieser Moment von der ganzen Stadt begangen.

 

2016-2018

Der Süd-Empore und alle Emporensäulen im Kirchenschiff erhalten ihre ursprüngliche Farbgestalt zurück. Der Begleitvorhang um die Kanzel wird freigelegt und bildet einen hochwertigen Kontrasthintergrund für diesen evangelischen Mittelpunkt der St. Johanniskirche.

Die Kanzel und die Südwand werden restauriert. Die Kanzel entpuppt sich dabei als der „brennende Dornbusch von Reichenbach", die in ihrem Goldschein alle Aufmerksamkeit des eintretenden Besuchers auf sich zieht, so wie der Dornbusch damals den Mose zu sich lockte, um dann Gottes Wort zu vernehmen. So zieht nun die Kanzel die Neugier der Gemeinde auf sich und lässt sie näher treten und erfährt dann von den Zeugen des Alten Testamentes (von unten nach oben: die großen Propheten Daniel, Hesekiel, Jeremia - der Reichenbacher Jeremia - und Jesaja) und dann der Kanzelkorb das Neue Testament mit den Evangelisten (Johannes, Markus, die Mitte dieser Reihe stellt den Satz des Johannes-Evangeliums dar „Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden." (1,17), dann folgen die Evangelisten Matthäus und Lukas. Der aktuelle Zeuge, der amtierende Pfarrer mit seiner Predigt bildet den Abschluss. Er steht unter einem Himmel, aus der eine Taube herabschwebt, damit der Heilige Geist den Geist des Pfarrers bewege. Der Kanzelaufgang über Eingang ist mit einer Allegoriefigur, der fides, geschmückt, dem Glauben; davon soll auf der Kanzel die Rede sein. Diese Anordnung ist ganz evangelisch, denn mit Luther gilt nach Röm 10,17: „So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi."

 

2019-2020

Der Altar und 2. Hälfte Ostwand werden „entdeckt". Au der rechten Seite sind die Symbole und Werkzeuge des Verrates, der Gefangennahme und der Folterung zu erkennen, auf der linken Seite die Werkzeuge der Kreuzigung. Diese waren ursprünglich tatsächlich am Altar befestigt und bereicherten so den Altar. Das Zentrum des Altars bilden drei Bilder. Die Praedella zeigt das letzte Abendmahl, nun wieder mit Abendrot dezent, zentrales Bild die Kreuzigung zeigt den Moment, indem Jesus stirbt und die Sonnenfinsternis erfolgt. Das oberste Bild stellt die Pietas dar, die Beweinung Jesu und Grablegung und als Bekrönung steht die lebensgroße Figur des siegreichen Auferstandenen mit der Siegesfahne und der Siegeshand.

Das ist so auch an der Gewölbedecke als Schattenwurf zu sehen. Allerdings steht hier Christus auf dem unterworfenen und in Ketten gebannten Tier mit den sieben Köpfen und den zehn Hörnern. Und links unter dem Mantel Jesu finden sich vier Figuren, v.l.n.r.: die Hure Babylon, der Tod, der Teufel und der falsche Prophet. Die Putti links und rechts zu Füßen Jesu haben auf dieser Wandmalerei Flügel, wohl Zeichen einer anderen Wirklichkeit, die dort herrscht.

Über dem Südwandfenster, als Bekrönung, wurde bei der Aufdeckung der Wandmalerei der Erzengel Michael entdeckt. Nun steht die Frage, wer ist die dritte Figur über dem Nordwand-Fenster? Diese wichtige theologische Frage steht noch aus und kann bei der Offenlegung der Nordwandmalerei beantwortet werden.

 

2021-2022

Abschluss „Restaurierungsdekade St. Johanniskirche"

Die Taufe wird nun wohl 2021 noch beschieden werden und restauriert werden können. Sie wurde 1994 zwar schon einmal renoviert, aber in dem Farbzustand von 1866 und auch der Anobienbefall hat erneut große Schäden angerichtet und die Farbfassung weist großflächige Schalenbildung aus.

 

2022-2024 (Vision)

Die 2. Nord-Empore, die restliche Nord-Wandmalerei im Chorraum, dabei vor allem die Epitaph-Rahmungen der Patrone und die dritte Figur des Triumvirats werden dabei „entdeckt" werden. Das wird noch einmal viele Erkenntnisse zur Gesamtgestalt und Theologie dieser Kirche bringen.

Die Reinigung aller Ausstattungsgegenstände, wird dann hoffentlich 2024 vollzogen werden.

 

Projekte neben der Restaurierung aber für die St. Johanniskirche

Im Jahr 2019 und 2020 sammelten wir die Eigenmittel für ein neues Ziffernblatt, das 18 angebracht und schon drei Mal übermalt wurde. Gut 10.000 EUR waren dazu notwendig um am 10. April 2021 mit einem großen Kran wieder angebracht zu werden nebst restauriertem Zeigerwerk. Eine Großspenden der Sparkassenstiftung schlesische Oberlausitz, des Lions-Club Niesky-Lausitzer Neiße und des Kirchenkreises SOL haben uns dabei sehr geholfen.

Zudem ist unser Geläut sanierungsbedürftig. Die Glocken musste Reichenbach 1942 für Kriegszwecke abgeben. Die Ersatzbauten nach dem Kriege sind der damaligen Mangelzeit geschuldet und so sind nun einige auf Dauer immer wieder kostenintensive Mängel zu beheben. Die Aufhängung (gekröpfte Joche) ist verschleißanfällig und der Glockenstuhl entspricht nicht den statischen Anforderungen, bedroht das Mauerwerk des Turmes. Die drei Glocken sind nicht aus einem Guss, sondern zusammengesetzt und haben deshalb keinen sauberen Dreiklang. Die große „Christus-Glocke" ist nun schon mehr als 55 Jahre alt und wird bald ersetzt werden müssen. Sie und die kleinen Melanchthon-Glocke sollen neu gegossen werden. Zusammen mit der uns noch verbliebenen original Luther-Glocke bilden sie dann den ursprünglichen as-Dur-Dreiklang. Dazu sollen alle Glocken in gerade Joche und in einen statisch ertüchtigten Glockenstuhl gehängt und die Antriebe entsprechend angepasst werden.

Die genauen Kosten kennen wir noch nicht, aber das Zeitziel, der 24. Juni 2024. Dafür sammeln wir jetzt schon, denn das soll die Krönung unserer dann 34 jährigen Bemühungen um diese Kirche werden.

Juli 2021

Pfr. Christoph Wiesener

 

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